Quantum Oddity Gallery
Siegfried Max Berno, Claudia Chaseling, Kata Unger, Christ Baptista – Echoes of Matter
Kurfürstendamm 210, 10719 Berlin
exhibition
Die Ausstellung Echoes of Matter in der Quantum Oddity Gallery zeigt Werke von Christ Baptista, Siegfried Max Berno, Claudia Chaseling und Kata Unger.
Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf die Art und Weise, wie sich die Werke sowohl buchstäblich mit Materie als etwas Greifbarem befassen, wie z. B. mit den materiellen Realitäten der künstlerischen Gestaltung, als auch in einem übertragenen Sinne, in dem Materie ein Gefäß sein kann, welches das Potenzial zur Erforschung abstrakter Konzepte birgt. Indem sie die Grenzen ihrer jeweiligen Medien herausfordern und sogar überschreiten, erschließen die KünstlerInnen neue Bedeutungen und Assoziationen, die in diesem Zusammenhang als Echos der jeweiligen physischen Materie verstanden werden können. Indem sie die Wahrnehmung der Betrachter sowie deren bereits bestehende Vorstellungen von den Materialien oder Themen herausfordern, regen die KünstlerInnen in dieser Ausstellung zu einem neuen Verständnis unserer eigenen Realität an.
Christ Baptista arbeitet mit Öl auf Leinwand und bewegt sich im Raum zwischen Figuration und Abstraktion, indem er menschliche und nichtmenschliche Formen darstellt, die in Momenten der Bewegung und Transformation festgehalten werden. Dieser Übergangszustand fängt den Betrachter ein und lässt ihn in der Erwartung zurück, wie sich die Spannung und Energie innerhalb der Komposition lösen könnte. Die von Baptista dargestellten, teilweise verdeckten Gesichter, Gliedmaßen, Blumen und Möbel haben eine flüchtige Präsenz. Die Farben verschmelzen, als würden sie sich im Wasser bewegen, und die Erscheinungen oder traumähnlichen Sequenzen scheinen sich vor unseren Augen aufzulösen. Für Baptista ist das Thema nur zweitrangig. Jedes figurative Element dient eher als strukturelles denn als narratives Mittel. Seine Kompositionen, die auf digital collagierten und verzerrten gefundenen Bildern basieren, sind in der Realität verwurzelt, aber von ihr entfremdet, was zu Darstellungen führt, die sowohl vertraut als auch schwer bestimmbar sind. Baptista lässt sich vom Film inspirieren und verwendet absichtliche Leerstellen, um durch das Nicht-Gesehene ein größeres Gesamtbild zu evozieren. Antike Relikte, die oft teilweise zerstört sind, inspirieren ihn dazu, Teile von Figuren und Objekten unvollendet zu lassen, und laden den Betrachter ein, die visuellen Lücken zu füllen, wie Archäologen, welche die Vergangenheit rekonstruieren.
Mit abstrakten Gemälden und Skulpturen fordert Siegfried Max Berno die Betrachter auf, die unerforschten Tiefen des Unterbewusstseins zu erkunden. Seine Serie Subconscious Reflections ist frei von jeglicher Figuration und bietet somit ein Feld aus Farbe, Textur, Licht und Schatten, das zur Selbstbeobachtung und Reflexion einlädt. Berno verwendet oft unkonventionelle Werkzeuge oder Materialien und verfolgt einen forschenden und experimentellen Ansatz. Die Materialität seiner Werke ist beeindruckend, da er der fast monochromen Komposition durch eine Vielzahl von Texturen, die auf Leinwand oder Papier aufgetragen werden, Tiefe verleiht. Bernos Skulpturen, die mit einem elektrischen Draht in Styropor geschnitzt und dann mit einem glänzenden Kunstharz überzogen werden, zeigen eine fließende Handbewegung, die an Pinselstriche erinnert. Der Schwerpunkt in Bernos Praxis liegt sowohl auf dem Prozess als auch auf dem Wunsch, beim Betrachter eine tiefere Kontemplation hervorzurufen. Thematisch interessiert sich Berno sehr für den menschlichen Geist und seine Fähigkeit, nicht nur die Welt, in der wir leben, zu verstehen, sondern auch abstrakte Konzepte wie unser Selbstverständnis in Bezug auf das Universum und einander. Bernos Leinwände fungieren als eine Art Spiegel und Fenster, durch die man als Betrachter Zugang zu einer Bewusstseinsebene erhalten kann, die Berno in unserer schnelllebigen, mediengetriebenen Konsumgesellschaft als fehlend ansieht.
Claudia Chaseling spielt mit der Wahrnehmung des Betrachters durch abstrakte Formen sowie die tatsächliche Form der Leinwand und erschafft so eine einzigartige Bildwelt. Bei näherer Betrachtung stellt man fest, dass die farbenfrohen Kompositionen in Wirklichkeit nicht frei von Figuration sind. Organische und architektonische Formen verflechten sich, wachsen und mutieren vor unseren Augen, während wir versuchen, unsere Verhältnis zu jedem Element in Zeit und Raum zu verstehen. Obwohl sie einen Großteil ihrer Motive aus der realen Welt ableitet, sind die Farben und Formen abstrahiert, was zu Science-Fiction-ähnlichen Szenen führt.Durch schwindelerregende Perspektivwechsel wird der Betrachter dazu gebracht, sein Verständnis von Realität in Frage zu stellen. Die Künstlerin bringt Schicht über Schicht von Informationen auf die Leinwand, wobei Farbe und Textur ihre bevorzugte Sprache sind. Chaselings Recherchen zu Natur- und Menschheitskatastrophen, wie der Einsatz von abgereichertem Uran in Kriegswaffen, sind schwerwiegende Themen, die in ihre Werke eingearbeitet sind. Da sie sich bewusst ist, dass viele Betrachter mit diesen Themen möglicherweise nicht vertraut sind, integriert Chaseling QR-Codes sowie funktionierende Weblinks zu Artikeln zu diesen Themen. Darüber hinaus durchbricht die blanke Leinwand die Farbschichten in spritzartigen Formen, was auf blinde Flecken in unserem Wissen und den fehlenden Zugang zur vollständigen Wahrheit hindeutet. Sowohl die Einbindung von Text als auch diese „Spritzer“ erinnern an Erzähltechniken, die in Graphic Novels üblich sind – ein Medium, mit dem sich Chaseling in ihrem Werk Murphy the mutant auseinandersetzt.
Obwohl Kata Unger an einem traditionellen Webstuhl arbeitet, um komplizierte und farbintensive Bildteppiche herzustellen, ist sie eher eine Malerin als eine Textilkünstlerin. Die Herstellung von Bildteppichen ist ein arbeitsintensives Handwerk, das für jedes Werk etwa drei bis vier Monate beansprucht. Die Art und Weise, wie die Fäden codiert werden, um das Werk Zeile für Zeile von links nach rechts zu erstellen, kann mit dem Binärsystem gleichgesetzt werden. Ein Faden verläuft vertikal und einer horizontal, ähnlich wie in Computersystemen, in denen 0 und 1 zur Darstellung von Daten verwendet werden. Thematisch setzt sich Unger in ihrem Werk CrackMe oder mein Hirn in der Cloud mit der Digitalisierung auseinander. Dieser Bildteppich zeigt eine Cyberlandschaft aus bunten Pixeln, die durch eine schwarze Fläche hindurchscheinen. Informationen sind vorhanden, aber für das menschliche Auge nicht leicht lesbar, was darauf hindeutet, dass der Code noch nicht geknackt wurde. Der Bildteppich überbrückt die Diskrepanz zwischen unserem zunehmend online stattfindenden Leben, in dem unser Gehirn virtuell in Online Datenwolken gespeichert wird, und dem Handwerk des Webens mit einem warmen und organischen Stoff wie Wolle. Durch ihre Bildteppiche macht Unger abstrakte Konzepte greifbar. Das Werk Plasmawave ist nicht nur eine malerische Erkundung von Farbe und Form, die in Stoff übersetzt wurde, sondern auch die Darstellung eines Gefühls, das sich nicht in Worte fassen lässt. Aus dem Kopf einer liegenden weiblichen Figur strömen psychedelische Farbwellen. Eine zweite Figur ist in der Schwade aus Blau, Violett und Rot verschwunden und hängt nur noch mit einem Fuß an der Realität des Betrachters.
Obwohl sie sich in Medium und Herangehensweise deutlich unterscheiden, erforschen die Werke in der Ausstellung Echoes of Matter gemeinsam den Bereich zwischen Figuration und Abstraktion. Christ Baptista lässt figurative Elemente in seinen Gemälden sich auflösen und reizt so den Wunsch unseres Verstandes, zu kategorisieren und zu verstehen, während sie sich unserem Begreifen von Physik und biologischer Form entziehen. Während die Werke von Siegfried Max Berno frei von erkennbaren Formen oder Symbolen sind, können die Betrachter ihre eigene Bedeutung auf die Leinwände und Skulpturen projizieren. Claudia Chaseling verwendet Text sowie natürliche und architektonische Formen, die nicht sofort erkennbar sind, da sie in der Gesamtkomposition getarnt sind. Unterdessen verwebt Kata Unger Figuren und Symbole in eine außerweltliche Landschaft, lockert unseren Griff nach dem Greifbaren, während sie uns durch die Taktilität ihres Mediums wieder einfängt.